Das letzte Aufgebot vor dem Untergang

Serie: Letztes Aufgebot vorm Untergang

Die Fans der Austria Klagenfurt haben viele Krisen miterleben müssen. Die schwerste gab es 2007, als der Traditionsverein schrittweise ausgelöscht wurde. Denn die Landespolitik hatte still und heimlich ein neues Fußballprojekt in der Bundesliga forciert. Viele Vereinsgetreue kämpften in der 2. Liga fieberhaft um das Überleben.

Auf seine Fans konnte die Austria Klagenfurt immer zählen. Bereits in den 1990er Jahren, als der Verein am sportlichen Tiefpunkt war und seine Spiele in der Kärntner Liga austragen musste, bildeten sich die ersten Fangruppen.

Noch vor den „Barrakudas“ und den „Amigos“, die beide 1995 entstanden sind, gab es die sogenannte Fan-Runde vom Gasthaus Hoi rund um Charly Wieser und dessen Freunde. Mit einer batteriebetriebenen Hupe sorgten sie auf der Haupttribüne im alten Wörtherseestadion für die lautstarke Unterstützung der Mannschaft. Auch die ersten Bengalen wurden abgebrannt.

1995 folgten die „Amigos“ mit acht Gründungsmitgliedern. Beim Cup-Spiel gegen Leoben am 29. September 1995 machte man sich erstmals bemerkbar. „Wir haben die erste Trommel ins Stadion gebracht. Es war der Beginn einer schönen Gemeinschaft“, erinnert sich Obmann Mario Zolle. Der Großteil der „Amigos“ ist heute noch regelmäßig bei den Spielen der Austria zu Besuch.

Die „Amigos“ waren es auch, die in den bittersten Stunden dem Stammverein die Treue hielten. Denn nach den fantastischen Erfolgen von 2001 bis 2003 wurde es in Waidmannsdorf richtig ungemütlich. Im Sommer 2003 konnte man gerade noch den Abstieg aus der Bundesliga verhindern, doch ein Jahr später hat es den Klub erwischt. Auch der im Winter geholte Trainer Peter Pacult, der aktuell wieder in dieser Position tätig ist, konnte im Frühjahr 2004 nichts mehr retten. Nach drei Jahren musste sich der FC Kärnten aus dem Oberhaus verabschieden.

Es begann eine sehr turbulente und von vielen Krisen geplagte Zeit. Trotz großer Anstrengungen gelang es dem FC Kärnten nicht, den erhofften Wiederaufstieg in die Bundesliga zu meistern. Unter Pacult wurde in der darauffolgenden Saison noch der dritte Platz in der 2. Liga erreicht.

In der Saison 2005/06 ging eine Ära zu Ende. Im alten, legendären Wörthersee-Stadion wurde am 25. November 2005 das allerletzte Spiel vor dem Abriss abgehalten. Der FC Kärnten traf an jenem Tag auf die Amateure von Austria Wien. Der Verein hatte für das Spiel eigene Erinnerungs-Schals produzieren lassen. Das Spiel selbst war an Kuriosität kaum zu überbieten, denn es glich einer Schneeballschlacht.

„Normal hätte man es abbrechen müssen, aber der Schiedsrichter hat es durchgezogen, weil es das letzte Spiel war“, erinnert sich Sandro Zakany, der damals das 1:0 erzielte und mittlerweile als Team-Manager für die Violetten arbeitet. Der FC Kärnten konnte letztlich sogar mit 3:0 gegen den Tabellenführer gewinnen.

Der dritte Treffer durch Rene Schicker in der 84. Minute war zugleich der letzte je erzielte Treffer in der Arena. Nach 45 Jahren musste das Wörthersee-Stadion einem modernen, neuen Tempel weichen. Stadt, Land und Bund hatten den Zuschlag für den Neubau gegeben, da in Kärnten drei Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2008 ausgetragen wurden.

Während in Waidmannsdorf der Bau des neuen 30.000 Zuschauer fassenden Arena erfolgte, trug der FC Kärnten seine Heimspiele in der Sportanlage in Fischl aus. Der sportliche Erfolg blieb jedoch bescheiden: War man im Winter noch auf Tuchfühlung zur Tabellenspitze gewesen, musste man sich zum Ende der Saison 2005/06 mit Platz sieben begnügen.

Auch in der darauffolgenden Saison lief es nicht besser: Der FC Kärnten stand neuerlich auf dem siebenten Platz der Endtabelle. Die Hoffnung, dass der Verein bei Neueröffnung der EM-Arena in Waidmannsdorf wieder in der Bundesliga spielen würde, hatte sich somit nicht erfüllt. Im Hintergrund hatte die Landespolitik jedoch bereits ganz andere Pläne geschmiedet, wie später bekannt wurde: In Gesprächen mit Vertretern des Bundesligavereins aus Pasching in Oberösterreich hatte man vereinbart, dass der FC Pasching seine Bundesliga-Lizenz freigeben und nach Kärnten weiterreichen würde. Dazu hatte man ein juristisches Schlupfloch benutzt: Der Vereinssitz des FC Pasching wurde nach Klagenfurt verlegt und der "neue" Verein in Austria Kärnten umbenannt. Ein einmaliger Vorgang in der österreichischen Fußballgeschichte - der sich später noch rächen sollte...

Klagenfurt spielte somit plötzlich wieder Bundesliga, ohne sich sportlich dafür qualifiziert zu haben, und die neugeschaffene Austria Kärnten durfte im nagelneuen Wörthersee-Stadion antreten. Das Land hatte auch zahlreiche Freikartenaktionen und Busfahrten organisiert, um Fans aus ganz Kärnten in die Arena zu locken - während der Stammverein (der FC Kärnten) seine Spiele in der zweiten Liga weiterhin in Fischl austragen musste. Es kam noch dicker: Viele Topspieler, die Nachwuchsakademie und auch Sponsoren des FC Kärnten wurden zum neuen Klub nach Waidmannsdorf übersiedelt. Von diesem Nackenschlag konnte sich der FC Kärnten nicht erholen.

In der Saison 2007/08 überwinterte der FC Kärnten mit einer blutjungen Mannschaft am Tabellenende - mit zehn Punkten Rückstand auf den Nichtabstiegsplatz. Der Klassenerhalt schien bereits in weiter Ferne, doch unter dem neuen Spielertrainer Nenad Bjelica wurde im Frühjahr 2008 noch eine beispiellose Aufholjagd gestartet. Letztlich musste der FC Kärnten mit nur einem Punkt Rückstand (!) den Abstieg in die Regionalliga hinnehmen.

Trotzdem wurde noch versucht, den Spielbetrieb des 1920 gegründeten Stammvereins aufrechtzuerhalten. „Auf einem der letzten Mannschaftsbilder sieht man die verbliebenen 14 Kaderspieler. Der FC Kärnten spielte wieder in den traditionell violett-weißen Farben“, erzählt Mario Zolle von den „Amigos“, die in Fischl bis zur letzten, bitteren Stunde geblieben sind. Das letzte große Highlight war das Cup-Spiel gegen Rapid Wien vor 1000 Zuschauern im Sportzentrum Fischl, das allerdings mit 0:5 verloren ging.

In der Regionalliga konnte man zur Halbzeit der Saison 2008/09 unter Trainer Bjelica noch den sechsten Platz belegen. Ein sportliches Lebenszeichen, doch finanziell war der Klub nicht mehr zu retten. Am 21. Jänner 2009 musste der Spielbetrieb endgültig eingestellt werden. Fast 90 Jahre Fußballgeschichte wurden damit (vorerst) ausgelöscht.

Auf dem Papier existierte man jedoch wieder. Vereins-Legenden hatten bei der Behörde bereits 2007 den SK Austria Klagenfurt neu angemeldet. Es war der Wegbereiter für die Rückkehr. Mehr dazu im nächsten Teil unserer Serie.

Eine Serie von Christian Rosenzopf

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