Serie: „Magier“ beendet Rapid-Fluch
Im Frühjahr 2000 war Almedin Hota in Sarajevo entdeckt worden. „Unser damaliger Präsident Dieter Haller hatte einen Freund in Bosnien. Der hat ihm den Tipp gegeben, sich dort umzusehen, weil es dort offenbar hervorragende Fußballer gibt“, erinnert sich der frühere Klub-Manager Helmut König. Prompt fuhr eine Delegation aus Waidmannsdorf zum Stadtderby nach Sarajevo - in das ehemalige Kriegsgebiet. 12.000 Besucher hatten sich im Hexenkessel eingefunden. Die Atmosphäre - einzigartig. Mittendrin: Almedin Hota, der Kreativgeist im Mittelfeld des FK Sarajevo. König: „Er war einfach überragend.“
Nach dem Match traf sich die Kärntner Runde mit Hota zum Abendessen. „Am Anfang haben wir gar nicht gewusst, mit wem wir verhandeln sollen, Hota hatte etwa zehn Spielerberater um sich“, erinnert sich König mit einem Schmunzeln. Hota konnte damals noch kein Wort Deutsch. Dennoch kam es zu einer Einigung mit ihm und seinem Beraterteam. So kam der Bosnier im Sommer 2000 zum FC Kärnten. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Auf Anhieb konnte „Hoti“ das Offensiv-Spiel des FCK mit seiner Technik und Übersicht beleben. „Hota, Hota, Hota", schallte es immer wieder im Wörthersee-Stadion von den Rängen, wenn er mit dem Ball zu Werke ging. Seine Dribblings und seine Pässe in die Tiefe waren bei den Gegnern gefürchtet. Oft wurden gleich mehrere „Bewacher“ für ihn abgestellt.
Mit Hota als Regisseur konnte der FC Kärnten in der Saison 2000/01 zum großen Siegeszug loslegen. Immer wieder fütterte der Bosnier mit seinen Vorlagen den damaligen FCK-Torjäger Roland Kollmann, der schließlich die stolze Quote von 28 Treffern in 33 Meisterschaftspartien erreichte. Der von vielen erhoffte Meistertitel wurde damit endlich eingefahren. Und ohne Hota hätte es wohl auch den Cup-Sieg nicht gegeben: Im Viertelfinale gegen Braunau sorgte er selbst für das Goldtor zum 1:0. Beim dramatischen 3:2-Sieg bei Hans Krankls Admira im Semifinale lieferte er die Vorlage zum Ausgleich und beim Cup-Finale in Wien konnte er sogar beide Tore von Kollmann und Steiner auflegen. Ohne Hota lief einfach nichts.
Im darauffolgenden Herbst konnte Hota auch in der Bundesliga voll aufdrehen. Der erste große Abend folgte am 24. Juli 2001, als man Rekordmeister Rapid völlig unerwartet in der dritten Bundesliga-Runde mit 3:0 besiegen konnte. 10.000 Fans waren im alten Wörthersee-Stadion völlig aus dem Häuschen. Einmal mehr war Almedin Hota der Mann für die gefährlichen Pässe gewesen.
Die wohl größten Fußball-Abende seines Lebens folgten im Herbst 2001. Noch nie war es einem Klagenfurter Fußballteam gelungen, einen Auswärtssieg bei Rapid zu feiern. Das Hanappi-Stadion schien eine uneinnehmbare Festung zu sein. Doch an jenem 30. September 2001 wurde der Fluch gebrochen. Der FC Kärnten war gerade von seiner Europacup-Reise aus Griechenland direkt nach Wien weitergereist. „In diesem Spiel war ich erstmals zweiter Stürmer neben Thomas Ambrosius", erinnert sich Hota. Er hatte von Trainer Walter Schachner eigentlich den Auftrag bekommen, „ein bisschen weniger zu laufen“, nachdem die Mannschaft bereits drei Partien innerhalb einer Woche absolvieren musste und der Mittelfeld-Antreiber keine Verschnaufpause hatte.
Und dann gelang ausgerechnet ihm der historische Treffer in der 63. Minute: Es war eine hohe Flanke von Sasa Papac in den Strafraum, die von Ambrosius per Kopf zu Hota verlängert wurde und der Bosnier drückte den Ball über die Linie. „Danach war es auf einmal komplett ruhig im Stadion. Das hat man so noch nie erlebt.“ Als Rapid auf den Ausgleich drückte, hätte Hota im Konter sogar fast das 2:0 gemacht. Er stürmte auf das leere Tor zu, wurde aber im Strafraum gelegt, ehe er den Ball in den Kasten schieben hätte können. Hota: „Meine Mitspieler haben danach geschimpft, warum ich den Ball nicht gleich reinschieße. Aber ich dachte eigentlich, es gibt jetzt sowieso Elfmeter für uns." Den Pfiff gab es aber nicht. Es spielte jedoch keine Rolle mehr, denn kurz danach war Schluss und der FC Kärnten konnte erstmals nach 81 Jahren bei Rapid gewinnen. Eine bittere Pleite auch für Rapid-Trainer Lothar Matthäus.
Nur zehn Tage später, am 10. Oktober 2001, der nächste denkwürdige Abend: Der FC Kärnten empfing erstmals Sturm Graz im Wörthersee-Stadion. Die Grazer waren die Startruppe Österreichs, hatten gerade in der Champions League ihre Gruppe gewonnen - vor der AS Monaco, Glasgow Rangers und Galatasaray Istanbul. Das Zuschauerinteresse in Klagenfurt war so hoch wie nie: Aus Platzgründen konnte einige der 11.000 Fans nicht einmal mehr die Stehplatz-Sektoren betreten, mussten das Match von außen verfolgen. Es gilt bis heute als das bestbesuchte Spiel der Geschichte im alten Wörthersee-Stadion.
„Wir hatten so viel Respekt vor Sturm - aber die erfahrenen Kollegen wie Vorderegger und Vukovic haben uns beruhigt. Sie sagten: Wir haben nichts zu verlieren", blickt Hota zurück, der wieder zum „Man of the Match“ avancierte. Denn der Bosnier konnte in diesem Spiel gleich zwei Tore erzielen und somit den 2:1-Sieg für den FC Kärnten möglich machen. Es war ein Fußball-Märchen.
Wieder einmal hatte es der kleine FCK den Großen gezeigt. Hota: „Ich habe jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich an diese Zeit denke. Es war einfach immer etwas Besonderes, in diesem Stadion zu spielen. Auf beiden Seiten des Stadions waren unsere Fanklubs positioniert. Das hat uns immer Kraft gegeben, egal auf welches Tor wir gespielt haben." Daher konnte Hota in Klagenfurt immer zur Höchstform auflaufen, auch wenn ihm der Ruf der "launischen Diva" nacheilte. Aber in Klagenfurt war er (fast) immer in bester Laune. Daher ist der Bosnier auch nach der Karriere hier geblieben und hat in Klagenfurt seine neue Heimat gefunden.
Eine Serie von Christian Rosenzopf
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