„Wir fördern und fordern die Talente“

Wenn es darum geht, den Nachwuchs der Austria Klagenfurt in die Erfolgsspur zu bringen, dann vergisst Wolfgang Schellenberg schon mal die Zeit. Nicht selten ist es so, dass der 51-Jährige am Morgen das Licht in der Geschäftsstelle ein- und am Abend auch wieder ausschaltet. In der Rubrik „Am Stadionkiosk“ spricht „Schelle“ über seine Rolle als Akademie-Boss der Violetten.

Wie bewertest Du die Entwicklung im Jugendbereich des Vereins in den zurückliegenden Jahren?

Ich denke, dass wir eine kontinuierliche Steigerung in den letzten drei Jahren vorgenommen haben. Wir haben mehr oder weniger bei null angefangen, sprich auf einer komplett regionalen Ebene. Nach dem ersten Jahr haben wir die Akademie-Lizenz erhalten und konnten damit auf die nationale Ebene aufsteigen. Jetzt sind wir im dritten Jahr und in allen Jahrgängen konkurrenzfähig. Wir versuchen jede Saison eine Stufe weiterzugehen. Uns ist aber ganz klar bewusst, dass man vielleicht einmal für eine Stufe zwei Jahre benötigt.

Was hat sich in den Jahren im Verlauf Deiner Amtszeit verändert?

Infrastrukturell haben wir das Klubhaus wieder ins Leben gerufen, auch wenn es schon ein wenig in die Jahre gekommen ist. Und wir haben deutlich mehr Plätze dazubekommen, auch wenn sie noch sehr verstreut sind. Hier muss es unser Ziel sein, diese zu zentrieren. Sportlich sind wir in den ÖFB-Ligen angekommen. Wir sind in fast jeder Altersklasse die Nummer eins in der Region und führen mit jeder Mannschaft unterhalb der U14 die Tabellen an. Darüber hinaus haben wir einen extremen Aufbau im Personalbereich erlebt, mehr hauptberufliche Trainer und mehr nebenberufliche Trainer, die allesamt die nötigen Trainerausbildungen vorweisen können.

Du hast viele Jahre auch in Deutschland im Nachwuchsbereich gearbeitet, beim TSV 1860 München spätere Nationalspieler ausgebildet. Was sind die Unterschiede zu Österreich?

Der Hauptunterschied liegt wohl in der Mentalität. In Deutschland ist die Bereitschaft, mehr Zeit in den Fußball zu investieren, höher. Wir haben eine Reihe talentierter Burschen bei der Austria, die noch gar nicht wissen, wie gut sie sind und was sie mit der richtigen Einstellung erreichen können. Wir fördern und fordern die Talente.

Wie hat sich der Nachwuchsfußball in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Man kann deutlich sehen, dass die Auswahl an Alternativsportarten größer geworden ist. Vor zehn oder 15 Jahren hat es für viele nur Fußball gegeben. Durch die Sozialen Medien gibt es auch viele Ablenkungen für junge Spieler. Das alles macht es schwerer, sie für den Fußball zu begeistern. Ich glaube auch, dass die Jungs früher mehr gegeben haben, um Profi zu werden. Heute kommt oft die Frage: ‚Was machen der Verein und der Trainer, damit ich Profi werde?‘. Diese intrinsische Motivation hat sich meiner Meinung nach verändert.

Welche Probleme gibt es im Nachwuchsfußball in Österreich?

Der Österreichische Fußballverband macht mit den ÖFB-Ligen einiges richtig. Auch, dass auf der regionalen Ebene versucht wird, nach dem Leistungsprinzip die Klassen einzuteilen, ist ein sehr guter Ansatz. Spieler werden viel eher für den Herrenbereich zugelassen. Das alles macht der ÖFB wirklich gut. Meiner Meinung nach liegt es an den Vereinen, Trainern, Eltern oder auch den Medien, diese Grundstruktur auch in der Praxis mit Leben zu füllen. Hier sind alle Verantwortlichen gefordert. Vor allem sollte aber auch der Nachwuchsfußball nicht immer nur an Ergebnissen gemessen werden.

Worauf achtest Du bei jungen Spielern ganz besonders?

Im Bereich bis zur U12 sollte man den Kindern primär den Spaß am Sport vermittelt, die Kinder zu Sportlern machen. Ab der U13 kann man dann spezifisch in die Ausbildung übergehen. Technik, Athletik und Taktik gehören hier zu den wichtigsten Attributen. Ein Punkt, der häufig untergeht, aber sehr wichtig ist, ist die persönliche Entwicklung. Welchen Willen und welche Einstellung bringe ich mit? Wie gehe ich mit Frustration um, wie setze ich mich gegen Widerstand durch? Wie bereite ich mich außerhalb des Spielfeldes vor? Das sind alles Komponenten, die in die persönliche Entwicklung miteinfließen.

Gibt es ein Attribut, das ein Jugendspieler unbedingt braucht, um Profi zu werden?

Ich glaube nicht, dass es hier ein einzelnes Attribut gibt. Wir haben unsere sechs Talent-Kriterien aufgestellt: Technik, Taktik, Athletik, Zweikampfverhalten, Spielintelligenz und Persönlichkeit. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass ein Spieler in keinem der sechs Bereiche unterdurchschnittlich sein darf und in mindestens zwei der sechs Bereiche herausragend sein sollte. In Deutschland haben wir immer zwei Spieler als Parade-Beispiele hergenommen: Mario Götze und Mats Hummels. Beide sind Weltmeister, aber mit komplett unterschiedlichen Kompetenzen. Götze, der sich mit Spielintelligenz und Technik in die absolute Weltklasse entwickelt hat, und Hummels, der sich mit Persönlichkeit und Athletik in die absolute Weltklasse entwickelt hat. Ohne den beiden abzusprechen, dass sie in den anderen Bereichen nicht auch gut wären, aber sie haben komplett unterschiedliche Stärken für sich entwickelt. Es ist auch unsere Aufgabe, Spieler nicht zu stigmatisieren. Der Athlet, der die Zweikämpfe gewinnt, ist genauso ein Talent wie der Spieler, der 15 Übersteiger kann. Und man braucht beide Spielertypen in einer Mannschaft, um etwas zu erreichen.

Beim Wörthersee-Cup vor der Winterpause waren drei Talente aus der Austria Jugend im Profi-Kader und zwei davon sind sogar zum Einsatz gekommen. Dürfen sich die Austria-Fans in der Zukunft auf mehr Spielminuten von eigenen Jugendspielern in der Kampfmannschaft freuen?

Es ist schön, dass drei Spieler dabei waren. Sie haben sicher die Voraussetzungen, dass sie ihren Weg machen können. Jetzt wird es bei allen drei Spielern darauf ankommen, ob sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung gehen werden. Ich glaube, dass diese Entwicklung auf kurz oder lang gesehen sicher kommen wird. Man darf nicht vergessen, dass wir erst im zweiten Jahr der Akademie sind. Unsere aktuelle U16 ist die erste Mannschaft, die wirklich als Akademie angefangen hat. Dort sind auch einige gute Jungs dabei. Aber es wird schon noch eine Weile dauern, bis es eine kontinuierliche Zufuhr an Jugendspielern für den Profibereich gibt.

Wie bewertest Du die Pläne bezüglich der neuen Struktur der ÖFB-Ligen, die ab der Saison 2024/25 greifen soll?

Es ist kein Geheimnis, dass wir als einer der Vereine gehandelt werden, die dann nicht mehr zu den zwölf Teilnehmern der ÖFB-Jugendliga gehören sollen. Es sollen Kriterien angesetzt werden, die von Vereinen mit jungen Akademien oder Neubewerbern nicht zu erfüllen sind. Man sollte nicht nur zurück, sondern auch nach vorne schauen. Ich denke, es würde Gesprächsbedarf geben, sollte sich das bestätigen. Nachdem unsere Akademie Teams sich sportlich achtbar schlagen, wird es erst mal für uns nur einen Weg geben: Wir werden alles daransetzen, dass wir die Kriterien, die erfüllbar sind, auch zu 100 Prozent erfüllen. Sehr gefreut hat uns die Zusage der Stadt Klagenfurt, dass sie uns, was die Infrastruktur betrifft, unterstützen wird. Alles andere wird dann nicht in unseren Händen liegen. Wir hoffen, dass es zu einer fairen Ausschreibung kommen wird.
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