Die turbulenten 90er

Serie: FC Hol­ly­wood der Kärnt­ner Liga

© KK

Es war der absolute Tiefpunkt: In den 1990er-Jahren durfte die ruhmreiche Austria Klagenfurt nur noch in der Landesliga auftreten. Rudi Perz war Kapitän in der Krisenzeit. Er erzählt von wilden Liebesaffären und einem verrückten Trainer-Verschleiß.

„Unser Flagg­schiff ist gesun­ken“, titel­te die Kärnt­ner Tages­zei­tung im Som­mer 1992, als der Abstieg in die Kärnt­ner Liga nicht mehr zu ver­hin­dern war. „Wir haben in der Schluss­pha­se der 2. Liga alles pro­biert, haben sogar gegen unse­ren Lokal­ri­va­len Spit­tal mit 5:0 gewon­nen, doch es war alles zu spät”, erin­nert sich Perz, der damals erst 20 Jah­re alt war.

Das Uner­war­te­te trat ein: Nach 32 Jah­ren waren die Vio­let­ten nicht mehr in den obers­ten zwei Ligen ver­tre­ten, davon hat­te man 19 Jah­re in der höchs­ten Klas­se gespielt. Perz: „Als wir das ers­te Spiel in der Lan­des­li­ga absol­viert haben, da ist uns so rich­tig bewusst gewor­den, was das alles bedeu­te­te. Damals gab es kei­ne Regio­nal­li­ga als Zwi­schen­stu­fe. Es war für uns jun­ge Spie­ler eine Wen­de in unse­ren Träu­men.“

Das ers­te Jahr in der Kärnt­ner Liga wur­de zum Fias­ko. Die Aus­tria krebs­te wie­der nur auf den letz­ten Tabel­len­plät­zen her­um. „Nach dem Abstieg waren wir eine blut­jun­ge Trup­pe und die Geg­ner hat­ten meis­tens vol­le Häu­ser, wenn sie gegen uns gespielt haben. In Len­dorf kamen 1800 Besu­cher, in Trei­bach waren es 1500. Wir hat­ten nicht die Ner­ven, um da bestehen.”

Erst mit der Rück­hol­ak­ti­on von Davor Hrstic im Win­ter 1992 konn­te die Mann­schaft sta­bi­li­siert wer­den. Letzt­lich konn­te man um einen Punkt dem Abstieg in die Unter­li­ga ent­kom­men. Doch die­ser Punkt muss­te erst hart ver­dient wer­den. Denn in der letz­ten Run­de der Sai­son 1992/93 spiel­te die Aus­tria in Wie­ters­dorf, dem Stamm­klub von Aus­tria-Legen­de Hel­mut König.

Mann­schafts­bus streik­te vor wich­ti­ger Par­tieAus­ge­rech­net bei der Anrei­se kam es zu einer Pan­ne, wie sich König erin­nert: „Ich war damals Funk­tio­när in Wie­ters­dorf. Bei der Fahrt zum Spiel sah ich plötz­lich am Stra­ßen­rand den Aus­tria-Bus, vor dem Bus stand der legen­dä­re Funk­tio­när Erwin Pal­ko­witsch. Ich bin sofort ste­hen­ge­blie­ben und frag­te, was los ist. Da erzähl­te mir Erwin, dass das Ben­zin aus­ge­gan­gen war. Und er sag­te: Sie wer­den mir auch nicht hel­fen wol­len, Sie sind ja heu­te unser Geg­ner. Ich habe dar­auf­hin drei Spie­ler mit dem Auto mit­ge­nom­men und dann ein Ben­zin orga­ni­sie­ren las­sen, damit die Mann­schaft zum Spiel kom­men kann.”

Die Aus­tria hol­te schließ­lich in Wie­ters­dorf das Unent­schie­den, das man zum Klas­sen­er­halt benö­tigt hat­te. So schloss das Team die Meis­ter­schaft als 14. von 16 Teil­neh­mern ab. König: „Ich war froh, dass die Aus­tria den Punkt geholt hat. Ich dach­te mir aller­dings schon: Was ist nur aus mei­ner Aus­tria Kla­gen­furt gewor­den? Ich habe die Leu­te bewun­dert, die sich das damals ange­tan haben. Die­ses Erleb­nis mit dem Bus war für mich auch eine Moti­va­ti­on, dass ich mich wie­der für mei­ne Aus­tria enga­gie­ren will.”

15 Trai­ner in drei­ein­halb Jah­renIn den Jah­ren dar­auf war­te­te man in Kärn­ten auf das gro­ße Come­back der Aus­tria Kla­gen­furt — doch das dau­er­te. Von Kon­ti­nui­tät war in Waid­manns­dorf ohne­dies nichts zu bemer­ken. Im Gegen­teil. Die Aus­tria stell­te einen trau­ri­gen Rekord in Sachen Trai­ner­wech­sel auf. Von Mai 1990 bis Dezem­ber 1993 hat­te der Klub nicht weni­ger als 15 Trai­ner ver­braucht. Bedeu­tet im Schnitt: Alle drei Mona­te ein neu­er Coach …

Das hat­te aller­dings nicht immer nur sport­li­che Grün­de. Ein Mit­glied des Betreu­er­stabs muss­te etwa sei­nen Pos­ten räu­men, nach­dem sei­ne Affä­re mit einer Team­m­as­seu­rin auf­ge­flo­gen war (die Namen wer­den frei­lich ver­trau­lich behan­delt). Ein ande­rer Trai­ner hat­te wie­der­um die Idee, die Mann­schaft im Win­ter zum Lang­lau­fen zu schi­cken, statt Fuß­ball zu trai­nie­ren. Beim nächs­ten Trai­ning war auch er sei­nen Job los. Die Aus­tria — ein klei­ner „FC Hol­ly­wood“.

Beein­dru­cken­de Heim­se­rie„Für uns Spie­ler war es ein Wahn­sinn. Bei so vie­len Trai­ner­wech­seln konn­te man ja kei­nen Erfolg haben”, so Perz, der mit 22 Jah­ren sogar zum jüngs­ten Kapi­tän der Aus­tria ernannt wur­de. Berg­auf ging es schließ­lich mit der Bestel­lung von Han­nes Hau­bitz zum neu­en Chef­trai­ner im Win­ter 1993. “Als ich das Amt über­nom­men habe, waren kei­ne zehn Spie­ler mehr in der Mann­schaft…”, erin­nert sich Hau­bitz. Die Kampf­mann­schaft wur­de daher mit Nach­wuchs­spie­lern auf­ge­füllt. Die Spie­ler­le­gen­de konn­te die Mann­schaft wie­der auf­rich­ten und lang­sam nach vor­ne brin­gen. 1993/94 konn­te man mit Platz zwölf zumin­dest die Liga hal­ten. Ein Jahr spä­ter gab es immer­hin schon den Vize­meis­ter-Titel hin­ter Feldkirchen.Vor allem zuhau­se war die Aus­tria eine Macht: Von 1994 bis 1996 blieb man gleich 31 Heim­spie­le in Serie unge­schla­gen!

Im Som­mer 1996 war es so weit: Die Aus­tria konn­te man mit glatt 19 Punk­ten Vor­sprung den Auf­stieg in die (wie­der ein­ge­führ­te) Regio­nal­li­ga beju­beln. Man durf­te end­lich wie­der hof­fen — im „Wil­den Wes­ten“ von Kla­gen­furt.

Eine Serie von Chris­ti­an Rosen­zopf

Haben auch Sie span­nen­de Anek­do­ten oder „Fund­stü­cke“ aus 100 Jah­ren Aus­tria für unse­re Autoren? Dann hel­fen Sie doch dabei, Geschich­te zu doku­men­tie­ren und für kom­men­de Gene­ra­tio­nen fest­zu­hal­ten. Schrei­ben Sie bit­te an: christian.rosenzopf@skaustriaklagenfurt.at

HIER fin­den Sie alle bis­he­ri­gen Tei­le der Serie