Die Rückkehr in violetten Farben

Serie: Mit dem Auf­stieg wird Traum wahr

©  Josef Kuess

Die Zeitreise durch 100 Jahre Austria Klagenfurt endet mit der wohl schönsten Geschichte: In der 101. Saison kehrten die Violetten völlig überraschend in die Bundesliga zurück und der Lindwurm erstrahlte in den Farben des Vereins. Auch in der Bundesliga lässt es der Aufsteiger krachen.

Im Herbst 2020 waren alle Augen auf Waid­manns­dorf gerich­tet: Wie wür­de der Titel­fa­vo­rit nach dem bit­te­ren Ende der ver­gan­ge­nen Spiel­zeit reagie­ren? In der Vor­sai­son hat­te man um nur fünf Tore den Auf­stieg ver­passt. Ein ein­ma­li­ges Ereig­nis im öster­rei­chi­schen Fuß­ball.

Das Team muss­te sich von dem Schock rasch erho­len — denn die Sai­son­pau­se dau­er­te nicht lan­ge. Alles begann bei null. Mit dem 3:1 gegen Blau-Weiß Linz konn­te man in der ers­ten Run­de die gestie­ge­nen Erwar­tun­gen erfül­len. Vor allem das 5:0 gegen den FAC in der fünf­ten Run­de wur­de von den Fans gefei­ert. Sie hat­ten nicht ver­ges­sen, was sechs Wochen vor­her in Ried pas­siert war.

Doch die Vio­let­ten konn­ten auf Stre­cke nicht an die Leis­tun­gen des Vor­jah­res anschlie­ßen. Zur Win­ter­pau­se lag die Mann­schaft zehn Punk­ten hin­ter dem Auf­stiegs­platz. Was nun? Der Vor­stand ent­schied sich zu einer unpo­pu­lä­ren Maß­nah­me: Robert Mich­eu wur­de frei­ge­sellt, der Wie­ner Peter Pacult als neu­er Trai­ner prä­sen­tiert — trotz hef­ti­ger Pro­tes­te aus der vio­let­ten Anhän­ger­schaft.

In der Zwi­schen­zeit hat­te auch das Coro­na-Virus wie­der knall­hart zuge­schla­gen. Die Spie­le in der ers­ten und zwei­ten Liga muss­ten wie­der ohne Publi­kum aus­ge­tra­gen wer­den. Die Zeit der lee­ren Rän­ge ging also wei­ter. Sport­lich schöpf­te das Team neue Hoff­nung. Gleich im ers­ten Match nach der Win­ter­pau­se gab es mit dem neu­en Trai­ner einen star­ken Auf­tritt: Im Cup-Vier­tel­fi­na­le bei Bun­des­li­gist LASK muss­te sich die Aus­tria erst in der Ver­län­ge­rung geschla­gen geben.

Doch in der Meis­ter­schaft folg­te ein sat­ter Dämp­fer: Das ers­te Spiel im Wör­ther­see-Sta­di­on gegen die Rapid Ama­teu­re wur­de mit 2:3 ver­lo­ren. Ein schwe­rer Pat­zer hat­te der Aus­tria die unnö­ti­ge Nie­der­la­ge ein­ge­brockt. Die Heim-Pre­mie­re für Pacult ging damit gründ­lich dane­ben. Die Auf­stiegs­träu­me dahin — dach­te man.

Doch die Vio­let­ten steck­ten nicht auf. Das nach­fol­gen­de Aus­wärts­spiel bei Blau-Weiß Linz (dem spä­te­ren Meis­ter) wur­de mit 1:0 gewon­nen. Und es gab einen Hoff­nungs­schim­mer, denn in der 16er Liga konn­te auch der drit­te Platz noch aus­rei­chen, um die Rele­ga­ti­on zur Bun­des­li­ga zu errei­chen — da die bei­den Erst­plat­zier­ten nicht auf­stei­gen durf­ten oder woll­ten. Plötz­lich ent­wi­ckel­te sich ein hei­ßes Fern­du­ell zwi­schen Wacker Inns­bruck und Kla­gen­furt um den drit­ten Platz. Bei­de Klubs hat­ten die Bun­des­li­ga-Lizenz bereits in der Tasche.

Fünf Run­den vor Schluss kam es zum direk­ten Duell der Riva­len. Dabei wur­den die Auf­stiegs-Hoff­nun­gen wie­der begra­ben, das Spiel in Inns­bruck mit 0:2 ver­lo­ren. Es kam sogar zu einem Feu­er­wehr­ein­satz: Fans der Tiro­ler hat­ten nach dem zwei­ten Tref­fer außer­halb des Sta­di­ons ein Feu­er­werk abge­feu­ert, was zu einem Brand am Sta­di­on­dach führ­te. Das Spiel muss­te für eini­ge Zeit unter­bro­chen wer­den.

Mehr Sor­ge berei­te­te der Aus­tria der nun­meh­ri­ge Tabel­len­stand: Der ret­ten­de drit­te Platz war bereits sechs Punk­te ent­fernt und Inns­bruck war in der „Pole Posi­ti­on“ für die Rele­ga­ti­on. Ab jetzt ließ das Pacult-Team jedoch nichts mehr anbren­nen. Nach dem Mot­to: Alles oder nichts. Man sieg­te 2:0 in Lust­en­au, 3:1 gegen die Juni­ors und konn­te sogar bei Tabel­len­füh­rer Lie­fe­ring mit 3:2 gewin­nen. Damit sprang die Aus­tria auf den vier­ten Platz und lag nur noch einen Zäh­ler hin­ter Platz drei, der nach wie vor von Inns­bruck ein­ge­nom­men wur­de. Denn auch die Tiro­ler hat­ten seit­her all ihre Spie­le gewon­nen. In der vor­letz­ten Run­de leg­te die Aus­tria ein 4:0 gegen Horn drauf, aber auch Inns­bruck gewann sein Spiel wie­der — 3:1 in Steyr.

Damit fiel die Ent­schei­dung um die Rele­ga­ti­on in der aller­letz­ten Run­de. Die Aus­tria Kla­gen­furt muss­te zu den Rapid Ama­teu­ren, gegen die man das ers­te Spiel im Früh­jahr ver­lo­ren hat­te. Wacker emp­fing zu Hau­se die Juni­ors. Für die Tiro­ler sah es präch­tig aus: Mit einem Heim­sieg gegen den LASK-Nach­wuchs wäre die Rele­ga­ti­on fix gewe­sen, die Trup­pe um Roni­val­do durf­te außer­dem 3000 Fans ins eige­ne Sta­di­on ein­las­sen, nach­dem die Pan­de­mie-Rege­lun­gen gelo­ckert wur­den.

Dann nahm das Schick­sal sei­nen Lauf: Die Aus­tria ging in Wien nach acht Minu­ten in Füh­rung, wäh­rend die Tiro­ler gegen die Juni­ors nach 19 Minu­ten in Rück­stand gerie­ten. Fast zur glei­chen Zeit glich Rapid gegen die Aus­tria aus. In der 33. Minu­te leg­te die Pacult-Elf wie­der nach: Chris­to­pher Cvet­ko erziel­te das wich­ti­ge 2:1. Doch die Rapid­ler gaben nicht auf, war­fen in der zwei­ten Halb­zeit alles nach vor­ne, in der Nach­spiel­zeit wur­de sogar der Tor­hü­ter bei Eck­bäl­len nach in den Kla­gen­fur­ter Straf­raum geschickt, auch wenn es für die Wie­ner um nichts mehr ging. Herz­klop­fen pur!

Wäre hier der Aus­gleich gefal­len und hät­te auch Tirol in sei­nem Spiel den Aus­gleich erzielt, wäre die Aus­tria wie­der aus dem Ren­nen gewe­sen. Doch dazu kam es nicht, die Aus­tria sieg­te mit 2:1, wäh­rend Wacker sein Heim­spiel ver­lor. Damit waren die Vio­let­ten doch noch in der Rele­ga­ti­on. Jetzt traf das Team auf den SKN St. Pöl­ten, den Letz­ten der Bun­des­li­ga.

Das Hin­spiel wur­de nur drei Tage spä­ter im Wör­ther­see-Sta­di­on aus­ge­tra­gen. Und der 26. Mai 2021 wird in den Geschichts­bü­chern des Kla­gen­fur­ter Fuß­balls einen Ehren­platz bekom­men. An die­sem Tag hat­te die Aus­tria eines der bes­ten Spie­le in mehr als 100 Jah­ren abge­lie­fert. Erst­li­gist St. Pöl­ten wur­de im ers­ten Auf­stiegs­spiel mit einem 4:0 nach Hau­se geschickt — und die Tür zur Bun­des­li­ga damit weit auf­ge­sto­ßen. 3000 Fans lagen sich in der EM-Are­na in den Armen. Mehr Fans waren in der Pan­de­mie nicht zuge­las­sen.

Was für Bil­der. Kei­ne neun Mona­te ist es her, dass die Aus­tria-Spie­ler am sel­ben Platz am Boden gele­gen waren und die Fuß­ball-Welt für sie an die­sem Abend unter­ge­gan­gen war — als sie rea­li­sie­ren muss­ten, dass sie in letz­ter Sekun­de auf dra­ma­ti­sche Wei­se den Auf­stieg ver­spielt hat­ten.

Jetzt war das Ziel wie­der zum Grei­fen nahe, doch noch stan­den 90 har­te Minu­ten bevor. Wei­te­re drei Tage spä­ter kam es zum Rück­spiel in der St. Pöl­te­ner Are­na. Die mit­ge­reis­ten Kla­gen­fur­ter Fans mach­ten das schi­cke Oval an die­sem Tag zu „ihrem“ Sta­di­on. Und die Mann­schaft ließ von Anfang an erken­nen, dass sie sich dies­mal die But­ter nicht mehr vom Brot neh­men las­sen wür­de.

Als es zur Pau­se immer noch 0:0 stand, konn­te man schon ein wenig träu­men von der Bun­des­li­ga. Als schließ­lich Mar­kus Pink in der 86. Minu­te das 1:0 für die Vio­let­ten erziel­te, gab es end­gül­tig kein Hal­ten mehr. Es ist voll­bracht: Erst­mals seit 1989 schaff­te wie­der ein Klub namens Aus­tria Kla­gen­furt den Auf­stieg in die höchs­te Spiel­klas­se (von 2001 bis 2004 spiel­te der Ver­ein als FC Kärn­ten in der Bun­des­li­ga). Spie­ler, Fans und Funk­tio­nä­re lagen sich in den Armen und Trai­ner Peter Pacult bekam prompt eine Bier­du­sche ver­passt.

Die Heim­fahrt aus St. Pöl­ten wur­de zum Tri­umph­zug. Als der Mann­schafts­bus spät nachts in der Kla­gen­fur­ter Innen­stadt ein­fuhr, wur­de das Team von einer gro­ßen jubeln­den Men­ge am Neu­en Platz emp­fan­gen. Auch die Stadt Kla­gen­furt gra­tu­lier­te den Auf­stei­gern mit einer beson­de­ren Ges­te: Der Lind­wurm erstrahl­te eine Woche lang in vio­let­ter Far­be und die Mann­schaft wur­de gleich am Tag nach dem Auf­stieg im Rat­haus emp­fan­gen. Das hät­te zu Jah­res­be­ginn wohl kei­ner gedacht.

Auch in der Bun­des­li­ga wur­de die Aus­tria zur Über­ra­schungs­mann­schaft. Gleich das ers­te Spiel wur­de zum Volks­fest: Die Aus­tria traf auf den Lokal­ri­va­len WAC. Fast 14.000 Fans kamen zum Kärnt­ner Der­by in das Wör­ther­see-Sta­di­on und sahen ein emo­ti­ons­ge­la­de­nes 1:1. Die Aus­tria bot eine bun­des­li­ga­rei­fe Leis­tung und wur­de mit dem Aus­gleich in der 90. Minu­te durch Pink belohnt.

Im Lau­fe des Herbs­tes kam der vio­let­te Damp­fer noch bes­ser in Fahrt. Als ein­zi­ges Team konn­te die Aus­tria sogar gegen Tabel­len­füh­rer Salz­burg gewin­nen. Schließ­lich ging man als Vier­ter der Bun­des­li­ga-Tabel­le in die Win­ter­pau­se – eine tol­le Aus­gangs­po­si­ti­on für den wei­te­ren Ver­lauf der Sai­son. Das 101. Jahr der Ver­eins­ge­schich­te bleibt auf Ewig unver­ges­sen!

Eine Serie von Chris­ti­an Rosen­zopf

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