Ewald Türmer mit Trainer Walter Ludescher
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Ewald Türmer
Ewald Türmer mit Arnold Koreimann und Pepe Larionows
Ewald Türmer beim harten Wintertraining

Serie: Als Türmer den Bus reparierte

Unsere Reise durch 100 Jahre Austria geht weiter: Ohne ihn hätte Kassim Ramadani seinen Fallrückzieher-Treffer gegen Austria Wien nicht machen können, denn die punktgenaue Vorlage kam von Ewald Türmer. Der Lavanttaler brauste als Teenager immer 50 Kilometer mit dem Moped nach Klagenfurt, um für die Austria zu spielen. Später reparierte der gelernte Mechaniker sogar den Teambus bei Pannen auf der Autobahn.

Es war das unerklärliche Phänomen der 1980er Jahre: Wenn die Wiener Austria nach Klagenfurt kam, gab es meistens Prügel für den Großklub aus der Bundeshauptstadt. Überall haben Prohaska und Co. ihre Spiele gewonnen, nur nicht in Waidmannsdorf.

Ewald Türmer ist der einzige Spieler, der beides erlebt hat. Denn er war in dieser Zeit für beide Klubs im Einsatz. Entdeckt wurde der spätere Nationalteamkicker im frühen Kindesalter. „Das habe ich dem Walter „Dago“ Koch zu verdanken. Er hat seine Lehre in St. Andrä absolviert und ich bin ganz in der Nähe aufgewachsen. Schon als Kleiner durfte ich mit den großen Kindern wie dem Dago mitkicken."

Der „Entdecker“ erinnert sich: „Ich wusste damals noch gar nicht, wie er heißt, aber mir ist aufgefallen, dass er mit neun Jahren schon sehr talentiert war und mit den Älteren mithalten konnte. Damals haben sie ihn ,Lorti' genannt."

Als Türmer mit nur 16 Jahren bereits Torschützenkönig in der Unterliga bei St. Andrä wurde, ereilte ihn plötzlich der Ruf aus Klagenfurt. Der sechs Jahre ältere Koch erinnerte sich an dessen Talente. „Uns hat ein Stürmer gefehlt und der Verein hatte kein Geld - also habe ich seinen Vater gefragt, ob der Ewald zu uns kommen mag- Und der Vater war sofort Feuer und Flamme", berichtet Koch.

So zählte Ewald Türmer mit 17 Jahren bereits zum Stammpersonal der Austria Klagenfurt in der 2. Liga. „Ich habe damals bei der Post in Klagenfurt meine Lehre absolviert, also hat es sich gut ergeben. Meistens bin ich direkt von der Arbeit zum Training, musste aber noch um 19 Uhr den Bus erwischen, damit ich wieder rechtzeitig heimkam." Und wenn kein Bus gefahren ist? Dann wurde eben das Moped vom Vater für die 50-Kilometer-Strecke ausgeliehen.

Unter dem damaligen Trainer und Talente-Förderer Emil Filzwieser konnte Ewald Türmer auf Anhieb im Angriff loslegen. Schon im ersten Testspiel gegen Rapid erzielte er zwei Tore. „Mit dem Oberösterreicher Pepe Larionows habe ich das Sturmduo gebildet. Er hat mir viele Tore aufgelegt, wir haben sehr gut harmoniert." Und so holte er gleich in seinem zweiten Jahr bei der Klagenfurter Austria den Vizemeister-Titel.

Aber auch abseits des Platzes erwies sich Türmer als wichtige Stütze. Da die Austria damals kein Geld für einen neuen Teambus auftreiben konnte, war die Kampfmannschaft mit einem alten ausrangierten gelben Postbus unterwegs. Dieser wurde vom damaligen Obmann Leo Marhl aufgetrieben. „Mit diesem Bus fuhren wir zu den Spielen durch ganz Österreich. Bei jeder Haltestelle wollten Leute zusteigen. Irgendwann wollten wir Spieler nicht mehr mit dem Bus fahren, daher hat ihn der Verein violett lackiert. Wir nannten ihn dann nur noch den Milka-Bus", erinnert sich Helmut „Kinke“ König.

Und dann war Ewald Türmer gefragt. Denn auf einer Fahrt zum Auswärtsspiel nach Innsbruck hatte der alte Bus auf der Inntalautobahn gestreikt. „Kurti Ragossnig, unser Chauffeur, kam nicht mehr weiter. Also bin ich unter den Bus gestiegen und habe einen kaputten Luftschlauch geflickt. Beim Heimfahren passierte das gleiche noch einmal, das haben die meisten aber gar nicht mehr mitbekommen, denn sie haben im Bus geschlafen", erzählt Türmer lachend.

Besonders heiß waren die Derbys in der 2. Liga im Lavanttal. Die Austria Klagenfurt zu Gast beim WAC. „Das war schon ziemlich krass“, erinnert sich der St. Andräer. „Irgendwas ist immer von den heimischen Fans in meine Richtung gerufen worden ... Die Fans standen nur einen Meter neben dem Platz.“

Doch die Einsatzbereitschaft und der Zusammenhalt machten sich bezahlt. 1982 konnte Ewald Türmer mit seinen violetten Teamkollegen endlich den Aufstieg in die höchste Spielklasse fixieren. „Das hat wirklich eine Euphorie im ganzen Land ausgelöst. Es war für alle etwas Neues. Etwas Aufregendes. Plötzlich kamen auch meine ehemaligen Teamkollegen von St. Andrä zu den Spielen nach Klagenfurt zuschauen.“

Mit Platz sechs und sieben (unter 16 Teams) konnte die Austria in den ersten beiden Jahren in der Bundesliga überraschen - dann war Ewald Türmer plötzlich weg. Die Austria aus Wien hatte ihre Fühler nach dem Mittelfeld-Motor ausgestreckt. Verantwortlich dafür war kein Geringerer als „Schneckerl“ Prohaska.

Im Sommer 1984 durfte ich erstmals in das Trainingslager des Nationalteams nach Bludenz. Ich saß an einem Tisch mit Prohaska, Obermaier, Polster und Dihanich. Wir haben immer Schmäh geführt. Dann meinte Prohaska: Hast du nicht Lust, zu uns zu kommen?“ Ab Herbst spielte Türmer bei den Veilchen in Wien.

„Das war für uns natürlich ein großer Verlust. Türmer war ein sehr laufstarker, disziplinierter Spieler. Aber wenn das Angebot aus Wien kommt, hast du keine Chance", so Trainer Walter Ludescher.

Türmer stürmte mit den Wienern zu seinem ersten Meistertitel. Man holte in der Saison gleich 54 von 60 möglichen Punkten. Nur ein Spiel hatte das Team verloren. Genau - jenes in Klagenfurt. Die Wiener Austria unterlag (wieder einmal) im Wörthersee-Stadion. Daran konnte auch Türmer - im Dress der Wiener - nichts ändern.

„Ich kann mich noch erinnern. Eine Frau hat bei jeder Ballberührung von mir von der Tribüne gerufen: Judas, Judas! Das war die Anna Krainz.. Das hat mich schon geärgert. Wir haben uns trotzdem immer gut verstanden." Nach zwei Meistertiteln und einem Cup-Sieg kehrte Türmer später wieder in die Heimat zurück.

Eine Serie von Christian Rosenzopf

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