Serie: Die Fan-Legende mit der Fahne

In einer Serie über die 100-jährige Geschichte der Austria Klagenfurt darf dieser legendäre Mann nicht fehlen. Er war wohl der schillerndste Austria-Fan in der Historie der Violetten: Manfred Steblei wurde als „Fahnenschwinger Willi“ in allen Stadien Österreichs bekannt.

„Hier regiert die Austria“ und „Keiner wird es wagen, unsere Austria zu schlagen"! Das waren der bekanntesten Schlachtrufe des berühmtesten Austria-Anhängers in 100 Jahren. Es musste schon viel passieren, wenn Manfred Steblei mit Ehefrau Karin und Tochter Andrea einmal kein Match der Austria besuchte. Er und seine überdimensionale violette Fahne waren ein Markenzeichen bei jedem Spiel.

Bereits in den 1980er-Jahren hatte seine Liebe zum Verein ihren Anfang genommen. Das war freilich aufgelegt. Damals spielten die Violetten schon in der Bundesliga. Doch es folgte der tiefe Fall bis in die Kärntner Liga. Da hatten nur wenige Fußball-Interessierte den Stadionbesuch am Wochenende in Erwägung zogen. Doch „Willi“ war geblieben.

Nichts konnte ihn davon abhalten, keine sportliche und wirtschaftliche Krise, keine Vereinsumbenennung, kein drohendes Ende. Für ihn gab es immer nur „die Austria“. Vor allem in den vergangenen 15 Jahren, als der Klub immer wieder neu aufstehen musste, hatte sein Optimismus viele andere mitgerissen.

Auch bei den Auswärtsspielen schwang er die Fahne und rief seine ureigenen Schlachtgesänge. So wurde Manfred Steblei bald in vielen Stadien in Österreich bekannt. Selbst Fans und Funktionäre der anderen Vereine fanden den durchaus auffälligen Austria-Anhänger schnell sympathisch.

Nur selten gab es Ärger - dann aber richtig. Einmal etwa musste „Willi“ bei einem Spiel im Wiener Hanappi-Stadion heftig um seine Fahne zittern. Ein Rapid-Fan war bei einer deftigen Niederlage der Klagenfurter Mannschaft über den Zaun in den Auswärtssektor geklettert und hatte ihm die Fahne weggerissen. Da konnte er kaum Widerstand leisten.

Doch die „Beute“ konnte der Dieb nicht lange behalten, kurze Zeit später wurde er auf der Flucht von Polizisten gestoppt. „Willi“ bekam seine Fahne wieder zurück, der SK Rapid entschuldigte sich daraufhin bei Manfred Steblei und bot mehrere VIP-Karten für das nächste Gastspiel der Austria an, wie man Medienberichten entnehmen konnte. Ob „Willi“ dieser Einladung Folge leistete, ist nicht bekannt. Denn am wohlsten fühlte er sich einfach auf der Fan-Tribüne.

Einmal stand „Willi“ auch selbst im Mittelpunkt der Diskussionen: Beim Klagenfurter Fußball-Derby am SAK-Platz soll er einen Polizeibeamten beim Schwenken der Fahne am Kopf getroffen haben. „Die Dienstkappe hat sich verschoben, deshalb wurde Ihnen die Fahne abgenommen“, stand später in der Anzeige der Polizei zu lesen. Außerdem soll er die Beamten im Zuge der Amtshandlung beschimpft haben.

Doch „Willi“ verstand die Welt nicht mehr und äußerte sich in einem Zeitungsartikel zu dem Vorfall: „Mir tut es leid, was passiert ist, aber ich habe den Polizisten - wenn überhaupt - nicht absichtlich getroffen.“ Schließlich stand zu jener Zeit die Sonne am SAK-Platz sehr tief, genau vor der Tribüne der Austria-Fans...

Geschichten wie diese kann man unendlich erzählen - über den Fahnenschwinger „Willi“, sein Temperament und seine Leidenschaft. Legendär waren auch die Grillpartys, die er jeden Sommer mit seiner Familie in Wölfnitz abgehalten hatte. Bereits Wochen im Voraus wurden die Einladungen an Mannschaft, Präsidium, Funktionäre und Fans versendet.

Wer da nicht auftauchte, bekam zumindest ein Jahr lang den Groll des Gastgebers zu spüren - bis zur nächsten Grillparty. "Da gab es immer die besten Calamari der Welt", weiß Sandro Zakany zu berichten, der wie viele andere Spieler stets eine Gesangseinlage auf dem Anwesen der Stebleis zum Besten gab.

Für die Kulinarik sorgte die Familie aber nicht nur bei den Grillpartys, sondern auch bei den Auswärtsfahrten: So wurden Schweinsbraten-Semmeln in großer Zahl an alle anwesenden Fans im Bus verteilt. Eines Tages bekam „Willi“ im Rahmen seiner Grillparty sogar ein Trikot des Vereins überreicht - im XXL-Format natürlich. Außer sich vor Freude entledigte sich Willi gleich vor der versammelten Gästeschar seines Hemdes, um in das Dress zu schlüpfen. Fortan trug er das Trikot mit dem Schriftzug „Willi“ bei sämtlichen Spielen der Austria.

So war er auch voller Stolz, als die Austria im Herbst 2019 erstmals von der Tabellenspitze der 2. Liga lachte. „Bundesliga, wir kommen“, rief er beim Heimspiel gegen Steyr auf der Tribüne. Was niemand ahnen konnte: Es war das letzte Match, das er selbst erleben durfte. Wenige Tage später war Manfred Steblei völlig unerwartet verstorben, im Alter von nur 70 Jahren. Sein großes Herz hatte nicht mehr mitgespielt.

Ein Schock für den gesamten Verein. Beim darauffolgenden Heimspiel gegen Horn wurde die Fahne unter dem  Applaus der Zuschauer von Kapitän Zakany auf den Platz getragen. Und es ist heute noch kaum zu glauben, dass „Willi“ nicht mehr selbst auf der Fan-Tribüne steht - wie man es viele Jahrzehnte gewohnt war. Die bekannteste Austria-Stimme aller Zeiten ist verklungen. Den Bundesliga-Aufstieg im Sommer 2021 hat er jedoch bestimmt im Himmel gefeiert. Es war der Aufstieg, von dem er immer geträumt hatte.

Eine Serie von Christian Rosenzopf

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Alle bisherigen Teile der Serie findet man hier: 100 Jahre, 100 Geschichten

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