Die turbulenten 90er

Serie: Der Rekord-Mann im Kas­ten

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Er ist der längstdienende Spieler in Waidmannsdorf: Fast drei Jahrzehnte lang stand Alexander Philipp im Kasten der Austria Klagenfurt. Trotz fragwürdiger Trainingsmethoden wurde der ehemalige Kettenraucher zum Publikumsliebling.

Im Som­mer 1972 hat­te sich Alex­an­der „Fip­se“ Phil­ipp bei den Vio­let­ten ange­mel­det. „Wir hat­ten zwei Kna­ben­teams in mei­ner Alters­klas­se: Kna­ben 1 und Kna­ben 2. Ich kam in das zwei­te Team, fürs ers­te Team war ich noch nicht gut genug“, erin­nert er sich an sei­ne Anfän­ge. Zwei Jah­re spä­ter traf er eine wich­ti­ge Ent­schei­dung: Er wech­sel­te auf die Tor­hü­ter­po­si­ti­on.

Sein Vor­bild damals: Der ser­bi­sche Aus­tria-Tor­hü­ter Dani­lo Popo­vic, der in der Bun­des­li­ga-Mann­schaft den Kas­ten hüte­te. Phil­ipp: „Heu­te kann man sich das ja kaum vor­stel­len, unter wel­chen Bedin­gun­gen wir gespielt haben. Damals sind am Trai­nings­platz noch die Holz­to­re her­um­ge­stan­den. Und wenn wir nicht gespurt haben, hat unser Trai­ner vom Baum neben dem Platz einen Ast abge­bro­chen und hat uns damit übers Feld gejagt.“

Sei­ner Aus­tria ist „Fip­se“ trotz­dem treu geblie­ben. Es lohn­te sich: Bereits mit 20 Jah­ren erleb­te der Eben­tha­ler sei­nen ers­ten Kurz­ein­satz in der Bun­des­li­ga. Am 3. März 1986 war für ihn aller­dings wenig zu ret­ten: Er wur­de im Heim­spiel gegen Sturm beim Stand von 0:2 ein­ge­wech­selt. End­stand: 0:5.

Doch es gab kein Zurück mehr. Ab Herbst 1986 wur­de Alex­an­der Phil­ipp zum Stamm­tor­hü­ter. Mehr als zehn Jah­re war er dann die unein­ge­schränk­te Num­mer eins der Kampf­mann­schaft. Und sei­ne Gegen­spie­ler hat­ten es in sich: Her­bert Pro­has­ka, Hans Krankl, Bru­no Pez­zey oder Andi Ogris. Mit den Größ­ten hat er es in den 1980er-Jah­ren auf­ge­nom­men.

Mit sei­nen Para­den und sei­ner Treue zur Aus­tria wur­de der Tor­hü­ter mit der lan­gen Mäh­ne zur Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur des Kla­gen­fur­ter Publi­kums. Von 1972 bis 2001 mach­te er alle Höhen und Tie­fen mit: Abstieg in die 2. Liga. Abstieg in die Kärnt­ner Liga. Wie­der­auf­stieg in die 2. Liga. Wie­der­auf­stieg in die Bun­des­li­ga. „Er war eben ein typi­scher Aus­tria­ner, was ande­res hat‘s bei ihm gar nicht gege­ben“, sagt sei­ne Ehe­frau Bea­te.

Auch eine Team­kar­rie­re stand bereits in Aus­sicht — hät­te da nicht kurz vor der Ein­be­ru­fung der Ver­let­zungs­teu­fel zuge­schla­gen. „Lei­der haben wir frü­her kom­plett falsch trai­niert. Mit dem Wis­sen von heu­te wären wir wahr­schein­lich noch um 50 Pro­zent bes­ser gewe­sen“, seufzt Phil­ipp.

Wel­che Übun­gen frü­her an der Tages­ord­nung stan­den? „Wir muss­ten etwa Häs­chen-Hüp­fen. Oder wir muss­ten einen Team­kol­le­gen auf den Schul­tern tra­gen und dabei Knie­beu­gen machen. Das war natür­lich nicht so gut für die Knie.“

Auch die Trai­nings­ein­stel­lung war aus­bau­fä­hig: „80 Pro­zent der Spie­ler haben bei uns geraucht. Ich habe selbst 90 Stück am Tag geraucht. Das war ganz nor­mal. Du bist von der Kabi­ne raus­ge­gan­gen und hast mit den Tor­hü­tern vom Geg­ner ein Bier getrun­ken und geraucht”, blickt er zurück.

Trotz­dem kam er auf mehr als 300 Ein­sät­ze in der Kampf­mann­schaft (eine punkt­ge­naue Sta­tis­tik ist auf­grund der unter­schied­li­chen Ligen-Zuge­hö­rig­keit lei­der nicht vor­han­den). Dabei wur­de sei­ne vio­let­te Treue immer wie­der auf die Fol­ter gespannt. Denn Geld gab es nur in den sel­tens­ten Fäl­len.

„Ich kann mich nicht an vie­le Aus­zah­lungs­ter­mi­ne erin­nern“, sagt er und lacht. „Man hat ledig­lich bei den Aus­wärts­fahr­ten 120 Schil­ling bekom­men. Damit soll­te man sich unter­wegs was zum Essen kau­fen. Und wenn du nichts geges­sen hast, dann hast du eben 120 Schil­ling ver­dient. Das war die Gage. Aber für mich hat‘s gepasst. Solan­ge die Dres­sen vom Zeug­wart gewa­schen wur­den, war ich schon zufrie­den.“

Dabei hät­te Phil­ipp auch in ande­ren Sport­ar­ten Kar­rie­re machen kön­nen: Im Hand­ball-Nach­wuchs des SVVW Kla­gen­furt war er gefürch­te­ter Angrei­fer (sein Rekord: 19 Tore in einer Par­tie) und als Nach­wuchs-Eis­hack­ler des KAC flat­ter­te ihm sogar eine Ein­be­ru­fung ins Natio­nal­team ins Haus. „Frü­her war das alles noch mög­lich, denn es gab den gan­zen Win­ter prak­tisch kein Fuß­ball­trai­ning. Also hat man auch ande­re Sport­ar­ten betrei­ben kön­nen.”

Sein All­roun­der-Talent mach­te er sich bei der Aus­tria mehr­fach zunut­ze: Ab 1996 wur­de der Goal­kee­per in der Regio­nal­li­ga zum Elf­me­ter-Schüt­zen ernannt. „Es begann mit dem Aus­wärts­spiel in Grat­korn. Ich war damals Kapi­tän der Mann­schaft. Trai­ner Hau­bitz frag­te, wer den Elfer schie­ßen mag. Also habe ich auf­ge­zeigt und gesagt: Ich mach es. Dabei war ich furcht­bar ner­vös…”

Doch davon war nichts zu spü­ren, das Expe­ri­ment ging auf. „Fip­se“ ver­wan­del­te den Straß­stoß und die Aus­tria sieg­te in Grat­korn mit 2:0. Auch in den Jah­ren dar­auf soll­te er kei­nen Elfer ver­schie­ßen. Der Goal­kee­per wur­de zum Goal­get­ter.

Eines sei­ner größ­ten Spie­le macht Phil­ipp im Som­mer 1997, als die Aus­tria in der letz­ten Run­de den Meis­ter­ti­tel in der Regio­nal­li­ga fixier­te. Danach muss­te man in der Rele­ga­ti­on gegen Unter­sie­ben­brunn um den Auf­stieg in die 2. Liga antre­ten. Das Hin­spiel in Nie­der­ös­ter­reich wur­de mit 1:2 ver­lo­ren. Beim Rück­spiel im Wör­ther­see-Sta­di­on stand es lan­ge 1:0 für die Aus­tria. Doch die Füh­rung wackel­te in der Schluss­pha­se gehö­rig.

Mit eini­gen Pracht-Para­den konn­te der Tor­mann den Aus­gleich der Gäs­te ver­hin­dern. Andern­falls wäre es wohl der Todes­stoß gewe­sen. So konn­te die Aus­tria in der Nach­spiel­zeit doch noch das 2:0 erzie­len und den Auf­stieg fei­ern. Ein Abend, der in die Geschich­te ein­ge­hen soll­te.

Wie das Cup­fi­na­le am 27. Mai 2001 im Wie­ner Ernst-Hap­pel-Sta­di­on. Es war eines der letz­ten Spie­le, bei denen Phil­ipp – im Alter von  35 Jah­ren — dem Pro­fi­ka­der ange­hör­te und einen Jahr­hun­dert-Erfolg mit­er­le­ben durf­te. Ein wür­di­ger Abschluss einer beein­dru­cken­den Kar­rie­re des Rekord-Aus­tria­ners.

Eine Serie von Chris­ti­an Rosen­zopf

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