Serie: Der Rekord-Mann im Kasten
Im Sommer 1972 hatte sich Alexander „Fipse“ Philipp bei den Violetten angemeldet. „Wir hatten zwei Knabenteams in meiner Altersklasse: Knaben 1 und Knaben 2. Ich kam in das zweite Team, fürs erste Team war ich noch nicht gut genug“, erinnert er sich an seine Anfänge. Zwei Jahre später traf er eine wichtige Entscheidung: Er wechselte auf die Torhüterposition.
Sein Vorbild damals: Der serbische Austria-Torhüter Danilo Popovic, der in der Bundesliga-Mannschaft den Kasten hütete. Philipp: „Heute kann man sich das ja kaum vorstellen, unter welchen Bedingungen wir gespielt haben. Damals sind am Trainingsplatz noch die Holztore herumgestanden. Und wenn wir nicht gespurt haben, hat unser Trainer vom Baum neben dem Platz einen Ast abgebrochen und hat uns damit übers Feld gejagt.“
Seiner Austria ist „Fipse“ trotzdem treu geblieben. Es lohnte sich: Bereits mit 20 Jahren erlebte der Ebenthaler seinen ersten Kurzeinsatz in der Bundesliga. Am 3. März 1986 war für ihn allerdings wenig zu retten: Er wurde im Heimspiel gegen Sturm beim Stand von 0:2 eingewechselt. Endstand: 0:5.
Doch es gab kein Zurück mehr. Ab Herbst 1986 wurde Alexander Philipp zum Stammtorhüter. Mehr als zehn Jahre war er dann die uneingeschränkte Nummer eins der Kampfmannschaft. Und seine Gegenspieler hatten es in sich: Herbert Prohaska, Hans Krankl, Bruno Pezzey oder Andi Ogris. Mit den Größten hat er es in den 1980er-Jahren aufgenommen.
Mit seinen Paraden und seiner Treue zur Austria wurde der Torhüter mit der langen Mähne zur Identifikationsfigur des Klagenfurter Publikums. Von 1972 bis 2001 machte er alle Höhen und Tiefen mit: Abstieg in die 2. Liga. Abstieg in die Kärntner Liga. Wiederaufstieg in die 2. Liga. Wiederaufstieg in die Bundesliga. „Er war eben ein typischer Austrianer, was anderes hat‘s bei ihm gar nicht gegeben“, sagt seine Ehefrau Beate.
Auch eine Teamkarriere stand bereits in Aussicht - hätte da nicht kurz vor der Einberufung der Verletzungsteufel zugeschlagen. „Leider haben wir früher komplett falsch trainiert. Mit dem Wissen von heute wären wir wahrscheinlich noch um 50 Prozent besser gewesen“, seufzt Philipp.
Welche Übungen früher an der Tagesordnung standen? „Wir mussten etwa Häschen-Hüpfen. Oder wir mussten einen Teamkollegen auf den Schultern tragen und dabei Kniebeugen machen. Das war natürlich nicht so gut für die Knie.“
Auch die Trainingseinstellung war ausbaufähig: „80 Prozent der Spieler haben bei uns geraucht. Ich habe selbst 90 Stück am Tag geraucht. Das war ganz normal. Du bist von der Kabine rausgegangen und hast mit den Torhütern vom Gegner ein Bier getrunken und geraucht", blickt er zurück.
Trotzdem kam er auf mehr als 300 Einsätze in der Kampfmannschaft (eine punktgenaue Statistik ist aufgrund der unterschiedlichen Ligen-Zugehörigkeit leider nicht vorhanden). Dabei wurde seine violette Treue immer wieder auf die Folter gespannt. Denn Geld gab es nur in den seltensten Fällen.
„Ich kann mich nicht an viele Auszahlungstermine erinnern“, sagt er und lacht. „Man hat lediglich bei den Auswärtsfahrten 120 Schilling bekommen. Damit sollte man sich unterwegs was zum Essen kaufen. Und wenn du nichts gegessen hast, dann hast du eben 120 Schilling verdient. Das war die Gage. Aber für mich hat‘s gepasst. Solange die Dressen vom Zeugwart gewaschen wurden, war ich schon zufrieden.“
Dabei hätte Philipp auch in anderen Sportarten Karriere machen können: Im Handball-Nachwuchs des SVVW Klagenfurt war er gefürchteter Angreifer (sein Rekord: 19 Tore in einer Partie) und als Nachwuchs-Eishackler des KAC flatterte ihm sogar eine Einberufung ins Nationalteam ins Haus. „Früher war das alles noch möglich, denn es gab den ganzen Winter praktisch kein Fußballtraining. Also hat man auch andere Sportarten betreiben können."
Sein Allrounder-Talent machte er sich bei der Austria mehrfach zunutze: Ab 1996 wurde der Goalkeeper in der Regionalliga zum Elfmeter-Schützen ernannt. „Es begann mit dem Auswärtsspiel in Gratkorn. Ich war damals Kapitän der Mannschaft. Trainer Haubitz fragte, wer den Elfer schießen mag. Also habe ich aufgezeigt und gesagt: Ich mach es. Dabei war ich furchtbar nervös..."
Doch davon war nichts zu spüren, das Experiment ging auf. „Fipse“ verwandelte den Straßstoß und die Austria siegte in Gratkorn mit 2:0. Auch in den Jahren darauf sollte er keinen Elfer verschießen. Der Goalkeeper wurde zum Goalgetter.
Eines seiner größten Spiele macht Philipp im Sommer 1997, als die Austria in der letzten Runde den Meistertitel in der Regionalliga fixierte. Danach musste man in der Relegation gegen Untersiebenbrunn um den Aufstieg in die 2. Liga antreten. Das Hinspiel in Niederösterreich wurde mit 1:2 verloren. Beim Rückspiel im Wörthersee-Stadion stand es lange 1:0 für die Austria. Doch die Führung wackelte in der Schlussphase gehörig.
Mit einigen Pracht-Paraden konnte der Tormann den Ausgleich der Gäste verhindern. Andernfalls wäre es wohl der Todesstoß gewesen. So konnte die Austria in der Nachspielzeit doch noch das 2:0 erzielen und den Aufstieg feiern. Ein Abend, der in die Geschichte eingehen sollte.
Wie das Cupfinale am 27. Mai 2001 im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Es war eines der letzten Spiele, bei denen Philipp – im Alter von 35 Jahren - dem Profikader angehörte und einen Jahrhundert-Erfolg miterleben durfte. Ein würdiger Abschluss einer beeindruckenden Karriere des Rekord-Austrianers.
Eine Serie von Christian Rosenzopf
Haben auch Sie spannende Anekdoten oder „Fundstücke“ aus 100 Jahren Austria für unsere Autoren? Dann helfen Sie doch dabei, Geschichte zu dokumentieren und für kommende Generationen festzuhalten. Schreiben Sie bitte an: christian.rosenzopf@skaustriaklagenfurt.at