Serie: Erst Wald, dann Aufstiegs-Drama

Die 100. Saison der Austria Klagenfurt war zugleich die verrückteste: Im Herbst 2019 mussten die Violetten ihren heiligen Rasen opfern, da in der Arena das Kunstprojekt „For Forest“, ein Wald im Stadion, ausgestellt wurde. Dennoch konnte das Team den Herbstmeister-Titel in der 2. Liga einfahren. Im Frühjahr 2020 kam Corona – und auch die Fußball-Welt stand still. Die Saison wurde nach dreimonatiger Pause zu Ende gespielt, die Austria vergab durch einen Elfmeter an die Latte den fast sicher geglaubten Aufstieg im Jubiläums-Jahr.

2019 war das Klagenfurter Stadion international in aller Munde, allerdings nicht des Fußballs wegen. Die Stadt hatte die Entscheidung getroffen, ein Kunstprojekt im Stadion durchführen zu lassen. Einmalig in Europa, wurde der Rasen komplett entfernt und durch einen künstlich angelegten Wald ersetzt.

Die Installation des Schweizer Künstlers Klaus Littmann sollte Menschen aus der ganzen Welt anlocken, so der Plan. Der Austria wurde damit das Grün unter den Füßen weggezogen, doch es konnte eine (Not-)Lösung gefunden werden. Auf der Westseite des Sportparks wurde eine kleine Ersatz-Arena errichtet: Das Karawankenblick-Stadion. Durch Zusatztribünen konnte eine Kapazität von rund 2000 Plätzen erzielt werden.

Tatsächlich übertraf die Austria im Herbst ihre eigenen Erwartungen: Nachdem man zu Jahresbeginn noch um den Klassenerhalt gezittert hatte, begann die neue Saison im Sommer 2019 gleich mit einem 3:1-Auswärtserfolg bei Titelfavorit Ried. Der Schwung wurde in den gesamten Herbst mitgenommen und die Mannschaft von Chefcoach Robert Micheu konnte sich überraschend den Herbstmeistertitel holen, punktgleich mit Ried, das zum großen Rivalen wurde.

Auch im ÖFB-Cup setzt die Austria ein Ausrufezeichen, in der zweiten Runde wurde das große Los gezogen: Es kam zum Heimspiel gegen Sturm Graz. Weil das Wörthersee-Stadion aber noch durch den Stadion-Wald belegt war, musste das „Traumspiel“ vor nur 2000 erlaubten Besuchern in der kleinen Arena auf der Westseite durchgezogen werden.

Die Austria trieb Sturm an den Rand des Scheiterns: Nach 90 Minuten stand es 2:2, wobei der Favorit erst kurz vor Schluss per Elfmeter zum Ausgleich kam. Dann setzte auch noch strömender Regen ein. Wer konnte, packte sich auf den nicht überdachten Zusatztribünen in Regenmäntel ein, um die Verlängerung miterleben zu können. Dort konnte sich Sturm letztlich mit 4:2 durchsetzen. Doch die Austria hatte die Herzen der Fans gewonnen.

Im Frühjahr durfte der Klub endlich wieder in „sein“ Stadion, in der EM-Arena gab es wieder einen grünen Rasen und gleich das erste Spiel bot einen Kracher: Die Austria empfing den Titelkonkurrenten aus Ried. 5000 Fans erlebten ein spannendes und emotionsgeladenes 1:1. Doch lange durfte man sich nicht über die Rückkehr freuen, denn das Corona-Virus sorgte weltweit für dramatische Todeszahlen und überfüllte Intensivstationen. Auch der Fußball rückte in den Hintergrund, die Partien fanden nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.

Die „Geisterspiele“ schadeten der Austria sowohl wirtschaftlich als auch sportlich massiv, die Violetten verloren den Faden und lagen plötzlich bereits acht Punkte hinter Ried. Dann kam es zu einer historischen Entscheidung der Verbände: Die für den Sommer geplante Europameisterschaft wurde um ein Jahr verschoben und die Meisterschaften vorerst unterbrochen.

Unterdessen näherte sich der 100. Gründungstag der Austria, die am 1. Juni 1920 als „Kaufmännischer Sportklub Klagenfurt“ ins Leben gerufen worden war. Im kleinen Kreis wurde am 1. Juni 2020 im Hotel „Sandwirth“ das Jubiläum begangen, wo bereits vor 100 Jahren die Gründungsfeier stattfand. Dass ausgerechnet der 100. Geburtstag von einer Pandemie überschattet wurde und somit keine große Feier mit Fans möglich war, konnte fast sinnbildlich gesehen werden. Denn der Verein hatte in der Historie schon viele Krisen überstanden.

Auch diesmal konnte man die turbulente Zeit gut meistern, denn im Juli wurde die Meisterschaft in Österreich fortgesetzt - und plötzlich präsentierte sich die Austria in den „Geisterspielen“ wie verwandelt. Die Spielfreude und Leidenschaft aus dem Herbst waren wieder zurückgekehrt. So konnte man viele Matches in letzter Minute für sich entscheiden. Damit passierte das nicht mehr Erwartete: Die Austria konnte Ried in der Tabelle einholen und dann die Führung übernehmen. Bis zur vorletzten Runde lagen die Waidmannsdorfer drei Punkte vor dem Titelfavoriten. Das große Glück, der Aufstieg in die Bundesliga, war zum Greifen nahe.

In der ohnedies schon verrückten Saison wurde es noch einmal dramatisch: In der vorletzten Runde gastierte das Micheu-Team in Amstetten. Beim Stand von 1:1 gab es in der 83. Minute einen Handelfmeter für die Austria. Mit einem Sieg wäre den Violetten der Titel kaum mehr zu nehmen gewesen, doch der Strafstoß wurde nicht verwandelt, die Kugel klatschte an die Unterkante der Latte. Im Gegenzug gab es einen sehr umstrittenen Elfmeter für Amstetten, selbst die Fernsehbilder konnten kein Foulspiel nachweisen. Doch Pfiff ist Pfiff. Und Amstetten nützte die Chance. Was war mit Ried? Die Oberösterreicher waren in Horn mit 1:2 zurückgelegen, hatten aber noch in Unterzahl das Spiel drehen können. Der violette Albtraum war perfekt.

In der finalen Runde waren Ried und Austria punktegleich an der Spitze, doch Ried hatte ein besseres Torverhältnis. Somit war klar: Gewinnen beide Titelanwärter ihre Spiele, bräuchte Klagenfurt einen Kantersieg, um doch noch Meister und Aufsteiger zu werden. Keine leichte Aufgabe gegen Wacker Innsbruck. Ried hatte die sportlich leichtere Hürde, traf daheim auf den FAC, der nur mehr mit einer Rumpfmannschaft angetreten war, da sich einige Stammspieler bereits im sonnigen Süden befanden.

Die Austria führte gegen Wacker zwar zur Pause mit 1:0, doch in der Kabine flossen Tränen, als bekannt wurde, dass Ried gegen den dezimierten FAC bereits mit 5:0 vorn lag. Violett sorgte in der zweiten Halbzeit trotz der Enttäuschung für ein Tor-Festival und siegte am Ende mit 6:1. Doch es war der wohl bitterste Sieg aller Zeiten, denn Ried gewann seinerseits mit 9:0 und bekam somit den Meisterteller überreicht, während die Austria-Spieler am Boden lagen.

Fünf Tore Unterschied gaben in der Tabelle den Ausschlag, dass die Austria nicht aufsteigen durfte. „Fast-Meister 2020“, was für ein Titel. Es war das tragische Ende einer verrückten Fußballsaison - doch im Jahr darauf kehrte das Glück nach Waidmannsdorf zurück.

Eine Serie von Christian Rosenzopf

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Alle bisherigen Teile der Serie findet man hier: 100 Jahre, 100 Geschichten

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